| zum Inhalt | zur Hauptnavigation | zur Unternavigation |



Betuwe-Linie - Grundlagenpapier der Feuerwehren

Die Feuerwehren im Arbeitskreis Streckensicherheit BETUWE

Der Arbeitskreis Streckensicherheit an der BETUWE setzt sich aus Vertretern der Feuerwehren von Emmerich bis Oberhausen zusammen. Er beschäftigt sich bereits seit Juli 2008 mit den Sicherheitsanforderungen auf der geplanten Ausbaustrecke der DB AG von der Landesgrenze zu den Niederlanden bis nach Oberhausen; auch BETUWE-Route genannt.

Aus Sicht dieses Arbeitskreises sind folgende Grundlagen für die weiteren sicherheitstechnischen Beurteilungen an der BETUWE-Route erforderlich.

Einleitung:

Die Sicherstellung der Sicherheit der Bevölkerung ist ein Thema der Daseinsfürsorge.

Standardaussagen in diesem Zusammenhang sind:

  1. Höchstmögliche Sicherheitsstandards für die Bevölkerung
  2. Bezahlbare Sicherheitsstandards für die Verantwortlichen

Der erfolgreichen Arbeit der Feuerwehr werden in der Praxis Grenzen gesetzt, da Personal, Ausrüstung, Ausbildung, Training, interdisziplinäre Koordination, eindeutige Verantwortung, Planungen ab einem bestimmten Schadensmaß fehlen.

Die Politik legt durch ihre Entscheidungen in Genehmigungsverfahren fest, welches Sicherheitsniveau durch die Gefahrenabwehr (in der Regel die Feuerwehr) sichergestellt werden muss und welches Risiko von der Gesellschaft getragen/ertragen werden muss.

Bei der BETUWE-Route handelt es sich um einen Eisenbahntransportweg, der für den Güterfernverkehr vorgesehen ist beziehungsweise bereits schon jetzt hierzu genutzt wird. Schadenereignisse können sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland eintreten. Es entspricht der menschlichen Erfahrung, dass der Zeitpunkt, der Ort und das Ausmaß eines solchen Ereignisses nicht vorhergesagt werden kann. Es können nur Wahrscheinlichkeiten abgeschätzt werden. Kurzum: Ein Schadensereignis kann an einem beliebigen Punkt der Strecke geschehen, Abwehrmaßnahmen sollten jedoch in beiden Ländern gleichermaßen strukturiert und organisiert  sein.

In den Niederlanden ist die Neubaustrecke der BETUWE-Route bereits fertig gestellt. Dabei wurden alle erforderlichen Analysen, Diskussionen, Entscheidungen, Verantwortlichkeiten und Aufteilung der Kosten politisch festgelegt.

Zurzeit wird die Risikowahrnehmung und die daraus resultierenden realisierten beziehungsweise angestrebten Sicherheitsmaßnahmen intensiv auf allen Ebenen erörtert und diskutiert.

Leitszenarien:

Was kann auf der BETUWE-Route geschehen? Hier ist die Definition von Leitszenarien für mögliche Schadensereignisse notwendig. Diese Leitszenarien sind dann Vorgabe für die im Schadensfall notwendigen Einsatzmaßnahmen.

In den Niederlanden sind folgende Leitszenarien Grundlagen für die Planungen:

  1. Brand, keine gefährlichen Stoffe, in einem Wagon / Streckenfahrzeug
  2. Brennbares, unter Druck verflüssigtes Gas, Leckage mit Feuerfackel
  3. Brennbares, unter Druck verflüssigtes Gas, drohender BLEVE
  4. Brennbare Flüssigkeit, kleine Leckagefläche / kleiner Flächenbrand = 100 Quadratmeter
  5. Brennbare Flüssigkeit, große Leckagefläche / großer Flächenbrand = 600 Quadratmeter
  6. Kleine, sehr giftige Flüssigkeitsleckage
  7. Große, sehr giftige Flüssigkeitsleckage
  8. Leckage giftiges, unter Druck verflüssigtes Gas
  9. Schlagartige Freisetzung eines giftigen, unter Druck verflüssigten Gases

Quelle: Gutachten der NIFV bei der Nibra (Nederlands Instituut Fysieke Veiligheid - Niederländisches Institut für physikalische Sicherheit) (Nibra - Nederlands Instituut voor brandweer en rampenbestrijding - Niederländisches Institut für Feuerwehr und Katastrophenschutz) "Invloed van geluidsschermen op de externe veiligheid en het optreden van de hulpverleningsdiensten bei treinincedenten op der Betuweroute" (Einfluss der Lärmschutzwände auf die externe Sicherheit (interne Sicherheit = Systemsicherheit) und das Tätigwerden der Hilfsdienste bei Eisenbahnunfällen auf der Betuweroute) Version: 411N7001/5.2, 24.09.2007, Seite 15

Da in den Niederlanden die BETUWE-Route als reine Güterverkehrsstrecke betrieben wird, fehlen in den Leitszenarien die Unfälle mit Personenzügen.

Hier sind zusätzlich folgende Leitszenarien anzunehmen:

10. Unfall eines Eisenbahnfahrzeuges mit Personen und/oder Kraftfahrzeugen

11. Unfall eines Personenzuges mit weniger als 10 verletzten Menschen

12. Unfall eines Personenzuges mit weniger als 50 verletzten Menschen

13. Unfall eines Personenzuges mit mehr als 50 verletzten Menschen

14. Unfall mehrerer Streckenfahrzeuge, technische Hilfe großen Umfanges erforderlich

Aus Sicht der an der Route verantwortlichen Feuerwehren müssen die Ergebnisse der niederländischen Risikoanalysen zur Betuwe-Route auch auf die deutschen Anforderungen übertragen werden.

Anforderungen:

Zur Sicherstellung des Einsatzerfolges gibt es den folgenden gemeinsamen Anforderungskatalog der Feuerwehren entlang der BETUWE-Route.

Für die Durchführung von gezielten Rettungs- und/oder Löschmaßnahmen ist ein ungehinderter Zugang für die Feuerwehren auf den Gleiskörper im Verlauf der BETUWE-Route auf Dauer sicherzustellen; dies schließt die Herstellung erforderlicher Zufahrten für Einsatzfahrzeuge ein.

Hierzu sind nachfolgende Maßnahmen erforderlich:

1.1 In einem Abstand von maximal 200 Metern sind Notausgangstüren in den Lärmschutzwänden zu installieren. Diese müssen sich jederzeit leicht und ohne fremde Hilfsmittel, zum Beispiel Schlüssel, vom Bahnkörper aus in Fluchtrichtung öffnen lassen. Diese Türen sind ausreichend zu kennzeichnen, damit flüchtende Personen auch während der Dunkelheit ohne Verzögerung den Bahnkörper im Gefahrenfall verlassen können. Die lichte Durchgangsbreite der Türen soll mehr als 2,50 Meter betragen, die einen fußläufigen Begegnungsverkehr mit Krankentragen zulässt. Auf den Streckenabschnitten mit 3 Lärmschutzwänden ist die Führung der Notausgangstüren geradlinig durch alle 3 Wände auszubilden. Bahnübergänge und Straßenkreuzungen müssen bei der Berechnung und Planung der Notausgangstüren berücksichtigt werden. Dabei ist die Feuerwehr der jeweiligen Gemeinde beratend zu beteiligen.

Gerade im Innenstadtbereich bereits vorhandene Bahnübergänge und Straßenkreuzungen sind zu berücksichtigen, so dass hier Zugänge in kürzeren Intervallen  notwendig und möglich sind.

1.2 Die vor genannten Türen sind gleichzeitig Angriffswege für die Einsatzkräfte. Sie müssen sich durch geeignete Maßnahmen, zum Beispiel mit dem Schlüssel A des Überflurhydrantenschlüssel nach DIN 3223, durch die Einsatzkräfte der Feuerwehr leicht und zu jeder Zeit öffnen lassen.

1.3 In unmittelbarer Nähe der Notausgangstüren sind auf der Seite der Bahnkörper sogenannte handbetriebene Transportdraisinen zu deponieren, die zum Transport von verletzten Personen und/oder zum Transport von Einsatzgeräten eingesetzt werden können. Sie müssen in ihren Ausmaßen so konstruiert sein, dass sie mindestens 2 Krankentragen aufnehmen können. Weiterhin müssen sie geeignet sein,  Einsatzgeräte mit einem Gesamtgewicht von circa 2 Tonnen aufzunehmen.

Ferner sind auf der BETUWE-Route insgesamt 3 Kombifahrzeuge Straße/Schiene vorzuhalten, um im Bedarfsfall Personen und Material über weitere Strecken transportieren zu können.

1.4 Von der öffentlichen Verkehrsfläche sind insbesondere für die Einsatzkräfte der Feuerwehr geradlinige Zu- und Durchgänge erforderlich. Die Zu- und Durchgänge müssen mehr als 2,50 Meter breit sein und die lichte Durchgangshöhe muss mindestens 2 Meter betragen.

1.5 Sofern Gleiskörper weiter als 50 Meter von der öffentlichen Verkehrsfläche entfernt liegen, müssen Zufahrten/Durchfahrten entsprechend der BauO NRW, § 5, (siehe auch VVBauO NRW) errichtet sein beziehungsweise werden. Sie müssen für bis zu 16 Tonnen-Feuerwehrfahrzeuge ausreichend befestigt und tragfähig sein. Diese Zu- und Durchfahrten sind so breit zu planen und auszuführen, dass für Rettungsfahrzeuge ein Begegnungsverkehr gewährleistet ist. Halte-/Ausweichbuchten können dieser Forderung entsprechen. Es ist auf Dauer sicherzustellen, dass die vor genannten Zu- und Durchfahrten nicht durch parkende Fahrzeuge versperrt werden. Sperrvorrichtungen müssen sich mit dem Schlüssel A des Überflurhydrantenschlüssel nach DIN 3223 öffnen lassen.

1.6 Für material- und/oder personalintensive Einsätze sind Aufstell-, Bewegungs- und Wendeflächen als auch Bereitstellungsräume für die Einsatzfahrzeuge vorzusehen.

1.7 Die Zugänge/Zufahrten müssen für den Transport der technischen Einsatzmittel incl. Tragepersonal breit genug sein. Ein Begegnungsverkehr in diesen Zugängen ist gerade für die erste Einsatzphase wichtig (Rettung von Personen aus dem Bereich der Bahnstrecke und gleichzeitiger Transport von Rettungsgeräten zur Einsatzstelle). Die parallel an den beidseitig äußeren Gleisen verlaufenden Rettungswege müssen eine ausreichende Breite in Anlehnung an die im § 5 Bauordnung NRW geregelten Breite für Zu- und Durchgänge von mindestens 1,25 Meter  aufweisen.

1.8      Auch während der Bauphase müssen die Straßen für Brandschutz- und Rettungsdienstfahrzeuge jederzeit befahrbar sein.

2. Die Versorgung mit Löschwasser (mindestens 6000 l/min) ist jeweils in Nähe der Notausgangstüren vorzusehen, soweit die Löschwasserversorgung an den einzelnen Versorgungspunkten nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Um im Brand- und/oder Gefahrenfall unverzüglich Löschmittel - Wasser beziehungsweise Schaum - an der Einsatzstelle zur Verfügung zu haben, sind in den Lärmschutzwänden in einem Abstand von weniger als 100 Metern verschließbare Klappen mit einer lichten Größe von mehr als 0,9 Meter mal 0,9 Meter zu installieren. Diese müssen sich durch die Einsatzkräfte im Einsatzfall mit dem Schlüssel A des Überflurhydrantenschlüssel  nach DIN 3223 öffnen lassen.

3. Für den gesamten Streckenverlauf der BETUWE-Route sind Feuerwehrpläne entsprechend der DIN 14095 zu erstellen und den Feuerwehren für den jeweiligen zuständigen Abschnitt zur Verfügung zu stellen. Diese Feuerwehrpläne müssen in der Folgezeit, wenn erforderlich, aktualisiert und ausgewechselt werden.

In einem Einsatzfall sind die Einsatzkräfte frühzeitig vom Notfallmanagement der DB AG über Art und Umfang der Güterbeförderung, insbesondere bei Gefahrguttransporten, zu informieren, um den Einsatz von Personal und Einsatzgeräten zielgerichtet organisieren und steuern zu können.

4. Für die Feuerwehren sind an der Strecke handbetriebene Erdungsschalter nach niederländischem Vorbild in ausreichender Anzahl erforderlich.

5. Es ist seitens der Bahn sicherzustellen, dass bahntypische Einsatzszenarien von Einsatz- und Führungskräften praktisch trainiert werden können.

Die feuerwehrtechnische Ausstattung der Feuerwehren der an der BETUWE-Route liegenden Städte ist je nach Einsatzszenario individuell zu ergänzen beziehungsweise durch die DB AG zu beschaffen und zu unterhalten. Der Arbeitskreis Streckensicherheit BETUWE wird die hieraus resultierenden fachlich begründeten Anforderungen definieren und in dem zu erstellenden Anforderungskatalog darstellen.

Der Anforderungskatalog der Feuerwehren orientiert sich an den Ergebnissen von Sicherheitsanalysen und den eigenen Erfahrungen an der Bahnstrecke.

Es ist in den zukünftigen Genehmigungsverfahren festzulegen, vor welchen Leitszenarien die Bevölkerung geschützt werden soll und welche Risiken der Gesellschaft als vertretbares Risiko zugemutet werden können/sollen.

Nach Festlegung der Schutzmaßnahmen entlang der BETUWE-Route kann eine Schwachstellenanalyse der Strecke beziehungsweise Streckensicherheit und der Gefahrenvorsorge erfolgen.

Rees, den 19.01.2010

 

Gregor Amting
Stellvertretender Leiter der Feuerwehr Emmerich

Heinz Walter
Leiter der Feuerwehr Rees

Udo Zurmühlen
Leiter der Feuerwehr Hamminkeln

Thomas Verbeet
Stellvertretender Leiter der Feuer- und Rettungswache Wesel

Ernst Wardemann
Leiter der Feuerwehr Voerde

Ulrich Borgmann
Stellvertretender Leiter der Feuerwehr Dinslaken

Gerd Auschrat
Stellvertretender Leiter der Berufsfeuerwehr Oberhausen



Twitter Button